Josef Fink und das Kulturzentrum bei den Minoriten

Das Kulturzentrum bei den Minoriten, von Rektor Josef Fink im Auftrag von Bischof Johann Weber und Prälat Johann Reinisch am 4. November 1975 in den damals desolaten Räumen des Minoritenklosters gegründet, entwickelte sich in der doppelten künstlerischen Leitung von Josef Fink und Harald Seuter in den 1970er- und 1980er-Jahren zu einer Top-Adresse für Gegenwartskunst in Graz. Im barocken Stiegenaufgang zum Minoritensaal, der bereits seit 1969 mit Walter Wolf-Schönach mit zeitgenössischer Kunst bespielt wurde, war es ein Ort für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, was Josef Fink in der ›Minoriten-Galerie‹ im zweiten Stock des Minoritenklosters erweiterte. Das Kulturzentrum war in dieser Zeit auch ein Ort der Diskussionen und Vorträge (im Minoritensaal) sowie der Experimentierort für zeitgenössisches Theater und Tanz. 
Mit der Zeit entwickelte und institutionalisierte sich ein mehrspartiges Kunst- und Kulturprogramm in zeitgenössischer Kunst, eine eigene Sparte Literatur, eine mit Neuer Musik, eine mit Theater für Junges Publikum, eine mit Medien kam im Laufe der letzten 15 Jahre hinzu. Nach Josef Finks Tod (1999) übernahm auf Betreiben und Wunsch Josef Finks selbst der Theologe und Kunsthistoriker Dr. Johannes Rauchenberger die Geschicke des Kulturzentrums bei den Minoriten. Die gewachsene Mehrspartigkeit des Programms wird seither fortgeführt, professionalisiert und den einzelnen Sparten entsprechend spezifisch entwickelt.
Als Ort der Auseinandersetzung mit Fragen von Religion und Spiritualität in den Künsten ist es unter kirchlicher Trägerschaft in der deklarierten Fokussierung auf zeitgenössische Kunstformen einzigartig im europäischen Raum. Als Ort der Auseinandersetzung mit Strömungen zeitgenössischer Kunstformen in Bildender Kunst, Literatur, Neuer Musik, Tanz setzt es sich aber einzig den Kriterien künstlerischer Qualität aus. Die Spannung, die sich mit dieser Polarität mitunter ergibt, macht ein entscheidendes Merkmal des Kulturzentrums bei den Minoriten in der derzeitigen Leitung aus.
Mit rund 180 Veranstaltungen pro Jahr ist das Kulturzentrum bei den Minoriten einer der interessantesten Orte für Gegenwartskunst in Graz und in der Steiermark geblieben. Die europäische Vernetzung, besonders im Diskursfeld von Kunst und Religion (etwa durch internationale Ausstellungen, durch die Redaktion in der Zeitschrift ›Kunst und Kirche‹, die universitäre Verankerung in Lehrveranstaltungen (seit 2004 an der Uni in Wien und seit 2009 in Graz) und Kooperationen, deklarierte Auftragswerke, die Einbindung des Programms vor Ort mit kooperierenden Institutionen im Kulturbetrieb (etwa in Ausstellungen mit dem ›steirischen Herbst‹) machen gewisse Akzentverschiebungen in der konkreten programmatischen Ausgestaltung der derzeitigen Leitung gegenüber der Ära Fink / Seuter aus, der Atem der Grundausrichtung hat sich aber nicht geändert. (Text: Johannes Rauchenberger)